Renate K.

Schon als Kind habe ich mangelnde Fitness und rasche Ermüdbarkeit bemerkt und mich dabei trotz meines Ehrgeizes einfach unsportlich gefühlt. Mit etwa 20 Jahren kamen Taubheitsgefühle vor, die erst nach Monaten wieder verschwunden sind: Kopfhaut, Oberschenkel, seitlich am Knie, Ellbogen. Es machte mir große Angst. Zeitgleich wurden ähnliche Symptome meines Bruders als MS diagnostiziert. So habe ich jahrelang mit der Angst gelebt, ebenso an MS erkrankt zu sein. Ich habe mich nicht zu Ärzten getraut, da diese auch meinem Bruder nicht helfen konnten. Im Nachhinein war es eine unglaubliche Einschränkung der Lebensqualität mit dieser Angst, ohne Perspektive, ohne Diagnose und ohne Hoffnung auf ein normales Leben.

Nach einer Meniscus-Operation im Alter von 35 Jahren hatte ich dann eine Peroneuslähmung ohne offensichtliche Verletzung des Nerven und erstmals äußerte die Neurologin im Krankenhaus den Verdacht auf HNPP. HNPP ist eine Sonderform von CMT. Sie ließ mich ohne Erklärung und ohne Weiterverweis mit dieser Vermutung allein. Nur durch Recherche im Internet fand ich den Weg zu meiner Diagnose und zu Frau Dr. Auer-Grumbach. Die Diagnose wurde mir auch durch Anblick eines Fotos eines Charcot-Fusses im Internet immer klarer. Ja, das war tatsächlich der Fuß meiner Mutter! Ich befragte meine Verwandtschaft und stellte fest, dass auch meine Tante unter zeitweisen, ausgeprägten Lähmungen litt und erfuhr, dass meine Oma zuletzt an "Muskelschwäche" litt, ihre Schwester an "Rheuma in den Händen" und die ausgeprägten Symptome meiner Mutter, die zeitweise als "hysterische" Lähmungen bezeichnet wurden, und meiner Brüder ebenso durch HNPP zu erklären wären. 


Schließlich hat die genetische Verifizierung meines Verdachts, meine Diagnose zur Auflösung einer großen Anzahl von Fehldiagnosen mit den daraus folgenden falschen Behandlungen in meiner Familie geführt. Ich selbst erlebe sie als Erleichterung, abgesehen von dem Vererbungsrisiko für meinen Sohn, das für mich eine große Belastung darstellt. Eine rechtzeitige Diagnose, die früh genug gestellt wird, kann viel Leid verhindern und hat in meinen Augen zudem auch eine ethische Relevanz.